Reibung (Friction)
von Dasha K. (dashak@visi.com)
Deutsche Übersetzung von DanaK35 (DanaK35@yahoo.com)
Körper berühren sich und Reibung entsteht.
Es ist, als ob man ein lange erwartetes Geschenk öffnet, das
Geschenkpapier aufreißt und zur Seite wirft um die Malibu-Barbie mit Lockenhaar
zu finden. Oh, genau was ich wollte, Weihnachtsmann. Es macht nichts, dass ich
so lange darauf gewartet habe, jetzt ist es hier in meinen Händen und es ist
Zeit damit zu spielen.
Ich habe es satt zu weinen, habe es satt allein in meinem
Wohnzimmer zu sitzen, mich hilflos zu fühlen, gefangen im saugenden Strudel
meines Lebens. Ich habe die Niederlagen, die Mißerfolge satt, habe es satt
vierunddreißig Jahre alt zu sein und mich so verdammt alt zu fühlen, so müde
durch das Böse, das wir erleben.
Rette mich.
Nein, rette mich nicht. Ich kann mich selbst retten. Aber
bleibe bei mir. Gehe diesen Marsch mit mir.
Heute ist Sonntag. Ich möchte nicht an Toxikologie Berichte
denken, an geheime Informanten oder Spesenberichte. Ich möchte mich nicht daran
erinnern, daß wir am Montag morgen um 08:00 ein Meeting mit Skinner haben. Ich
kann jetzt nicht an ihn denken, mein Kopf auf deiner nackten Brust, deine Hände
in meinem zerzausten Haar.
Heute ist Sonntag. Gott selber sagte in der Bibel, daß dies
ein Tag der Ruhe sein soll. Der Sturm, der letzte Nacht wütete, hat das Gebiet
nie ganz verlassen und feiner Nieselregen hängt über den Straßen. Es gibt also
keinen Grund heute raus zu gehen, keinen Grund zuzugeben, daß eine Welt
außerhalb dieser kleinen Wohnung gibt. Es gibt ein Bett, einen Kühlschrank
voller Essen, eine Toilette und Dusche. Was brauchen wir sonst?
Hilf mir, heute eine Insel zu schaffen. Du und ich,
gestrandet auf diesem Bett. Unser Rettungsboot ist kaputt und es gibt keinen
Weg von dieser Insel wegzukommen, nicht heute. Bleib' nahe bei mir liegen und
laß' dich im warmen Wasser treiben. Ich
kann Salz auf meinen Lippen schmecken und erkenne, daß es kein Meerwasser ist,
sondern Tränen.
Oh, Gott, ich hatte mir doch geschworen, daß du mich nicht
weinen sehen würdest.
Es ist nur zu viel, zu viel von allem auf einmal. Mein Leben
war immer eine Aneinanderreihung vorsichtiger Schritte. Schau' dich um, bevor
du springst, ist mein Motto gewesen, seit ich ein junges Mädchen war.
In Liebesdingen war ich immer eine Kaiserin der Klugheit,
habe immer weise gewählt und war gewillt, eher keinen zu haben, wenn ich nicht
den besten haben konnte.
Und jetzt schau' mich an. Ich selbst habe es getan, vor
einer Stunde etwa, im grellen Licht des Badezimmers. Mein Haar eine zerzauste
kupferfarbene Bürste, mein Gesicht rosig, und oh mein Gott, war das ein
Knutschfleck an meinem Hals? Eine unerwartete Erinnerung überfiel mich, wie ich
meiner Mutter zu erklären versuchte, das der lila-farbene Fleck von meinem Lockenstab
stammte. "Sei froh, daß dein Vater auf See ist, Dana." Geschwollene,
aufgesprungene Lippen. Bin ich jemals so gründlich geküßt worden?
Ich war schön. Eine wilde, animalische Frau, eine Frau,
deren Haut Zentimeter für Zentimeter erkundet worden ist und von ihrem
begierigen Kartenzeichner abgebildet wurde.
Begierig, das ist es was wir sind. Ich kann nicht aufhören,
jetzt wo wir damit angefangen haben. Die Angst schnürt mir die Kehle zu, die
Angst davor, zu weit zu gehen, mich selbst ob deiner lohenden Haut und deiner
melancholischen Augen zu verlieren. Was, wenn wir ertrinken, in unserem
gemeinsamen Schmerz, dessen Schwärze über uns in Wellen hinweg rollt und uns
unwiderruflich weit nach unten stürzt?
Es geht nur um Kontrolle, nicht wahr? Es ist schwer für
mich, loszulassen, jeden Moment zu nehmen und ihn zu genießen, ihn über die
Zunge gleiten zu lassen wie einen edlen Bordeaux. Mein Hirn ist immer am
arbeiten, zu viel denkend, versuchend, die Ziele zu erreichen, die Muster zu
verstehen.
Hilf mir, meine Kontrolle zu verlieren, das unablässige
Denken abzuschalten.
Du bist hier, nackt auf meinem Bett ausgestreckt in all
deiner männlichen Schönheit. Ja, Männer können schön sein und du bist es. Ich
habe dich vor dem Spiegel stehen sehen, unzufrieden mit was du sahst. 'Ich bin
zu dünn, kein Hintern, irgendwie hohl und mit fast unbehaarter Brust,' scheint
der Ausdruck in deinem Gesicht zu sagen. Mann, du bist schlimmer mit deiner
Selbstkritik als manche meiner Freundinnen. Laß' mich dir versichern, Geliebter,
ich habe alles von dir gesehen und du bist schön. Ich habe dich blutend
gesehen, krank, dich erbrechend, weinend und eine Waffe auf mich richtend.
Jetzt habe ich dich gesehen, wie du vor mir standest, nackt wie an dem Tag, als
du geboren wurdest, angetan mit nichts als einem zögerlichen Lächeln und einer
Erektion. Du bist schön, okay? Ich begehre dich, ich liege hier und nur mein
Kopf berührt deine Brust und ich will dich schon wieder so verzweifelt, daß
mein Kiefer schmerzt, weil ich es so sehr verkrampfe.
Es gibt so viel, was du nicht weißt, nicht wissen kannst. Du
wirst immer diese Frage in deinen Augen haben, wenn du mich ansiehst, 'Warum
er?'. Wie kann ich es dir erklären. Ich werde es nicht tun. Du kennst ihn
nicht, so wie ich ihn kenne, kennst die andere Seite, die in ihm existiert,
nicht. Für dich ist er nur der große, finster blickende Typ, der in der
Chefetage sitzt, der Mann, an den wir berichten, in seinen gestärkten Hemden
und makellosen Anzügen. Ich habe die andere Seite in ihm gesehen, den Mann, der
die Oper liebt, der mir beigebracht hat, Pasta zu machen, der einmal neben mir
lag und mir aus Puschkin's "Evgenie Onegin" vorgelesen hat, eine
weitere Geschichte unmöglicher Liebe. Der Mann mit den unwahrscheinlich
zärtlichen Händen, der ob meiner Berührung wie ein Kätzchen schnurrte. Diesen
Mann wirst du nie kennen, weil ich es dir niemals sagen werde. Dies ist mein
kleines Geheimnis, das ich in meinem Herzen aufbewahre, etwas das nur mir
gehört, etwas das ich dir nicht geben muß.
Du hast mich gefragt, ob ich ihn geliebt habe. Nein, ich
habe dich nicht belogen. Ich habe ihn nie geliebt.
Es warst immer nur du.
Warum? Das habe ich mich selber den ganzen Tag gefragt, als
wir uns liebten, als ich aufschrie, weil deine Zunge mich liebkoste, als deine
Hände auf meinem Hintern lagen um dich immer tiefer in mich zu schieben, da
habe ich geschrien warum warum warum warum? Und ich stelle mir diese Frage noch
immer, als ich dir Himbeeren und Kirschen füttere und dein rot verschmierter
Mund sich um meine Finger schließt. Ich denke ich habe jetzt die Antwort
gefunden, oder zumindest etwas, was einer Antwort nahe kommt.
Wir sind elementar. Sauerstoff und Wasserstoff ergeben
Wasser. Natrium und Chlorid ergeben Salz. Mulder und Scully ergeben Liebe.
Hört sich das zu einfach an? Es ist einfach, aber das ist
es. Ich habe nie an Schicksal, an Vorhersehung geglaubt. Wir bestimmen unser
eigenes Schicksal, aber es ist eine unleugbare Tatsache, daß zwischen uns etwas
so starkes, etwas so unzerbrechliches herrscht, daß ich ob seiner Kraft
ehrfürchtig verweile. Ich habe es das erste Mal in Oregon gespürt, als wir
unsere ersten kleinen grünen Männchen jagten und ich habe viele lange Jahre
damit verbracht, diese Anziehung zu ignorieren und mir selber nette kleine
Machtworte zu sprechen über Vertrauen, Partnerschaft und Loyalität. Völliger
Unsinn. Ich habe dich damals geliebt, wie ich dich heute liebe.
Du kannst uns beide als langsame Schüler bezeichnen.
Es geht um Reibung, Mulder. Ich drücke, du ziehst, aber irgendwie
kommen wir schon irgendwo hin.
Ich brauche die Anregung. Du läßt mich lebendig werden, auf
viele winzige Arten. Wir sitzen in Mietwagen in gottverlassenen Orten irgendwo
im nirgendwo und streiten uns darüber, wer den Jungen tötete, der im Teich
gefunden wurde, sein Kopf eineinhalb Meilen weiter entfernt und es ist
intensiv, ärgerlich. Ich werde immer kühler und du sitzt nur da, grinsend, so
verdammt sicher, daß du recht hast, aber der Punkt ist, daß ich den Konflikt
liebe, die Spannung, die Reibung die so dicht in der Luft hängt, daß man sie
mit einem Löffel schaufeln könnte und in einer Schüssel zum Dessert servieren
könnte. Es ist ein Hoch, daß mehr Macht hat als Crack, süchtiger macht als
Heroin.
Du und ich, wir sind besser als Drogen, wir sind das pure
Adrenalin. Mulder, du und ich sind wie ein paar Junkies und zusammen können wir
den Stoff bekommen. Direkt in die Vene, ohne Nadel.
Aber es ist doch mehr als das. Es kann zärtlich sein, es
kann Trost sein. Es bist du, wie du mich hältst, als ich meinen Tod betrachte.
Es ist ich, wie ich deinen fiebernden Körper wieder gesund pflege.
Kann ich dir ein Geheimnis verraten?
In dieser Nacht im Krankenhaus, als ich dem Tod so
gefährlich nahe war, wachte ich auf als die Tür sich öffnete. Ich war zu
schwach um meine Augen zu öffnen, um zu sprechen, aber vom Klang der Schritte
wußte ich sofort, daß du es warst, Mulder.
Du knietest neben mir nieder, legtest deinen Kopf aufs Bett
und brachst in Schluchzen aus. Ich weiß nicht, ob du um mich weintest, oder um
dich, oder um uns beide, aber es brach mir das Herz, dich so verletzlich und
verloren zu erleben. Oh Gott, ich wollte dich in meine Arme nehmen und den
Schmerz lindern, aber ich war hilflos, gelähmt in meinem Bett, ein
unfreiwilliger Zuschauer dieser nackten Zurschaustellung deiner gequälten
Seele.
Stattdessen, warst du es, der mich getröstet hat. Deine
Tränen versiegten und du verbrachtest den Rest der Nacht an meiner Seite, auf
dem Stuhl neben dem Bett, meine Hand haltend. Ich glaube heute, daß es die
wärme und stärke dieser Hand war die mich während dieser langen, dunklen Nacht
im Land der Lebenden hielt. Gegen Morgen, war ich fähig die Augen zu öffnen und
ich sah dich, auf dem Stuhl dösend, meine Hand noch immer fest in deiner.
Ich erkannte, daß dies der Moment war in dem ich wählen
mußte, zwischen Leben und Tod.
Ich wählte das Leben.
Verstehst du jetzt? Verstehst du, was ich meine, wenn ich
elementar sage? Wir brauchen einander, wie Wasser und Essen. Wir sind das
einzige, daß den anderen retten kann.
Oh Gott, meine Therapeutin würde die Augen verdrehen, wenn
sie mich das sagen hörte, aber sie ist nicht ich. Sie hat nie mit ihrem eigenen
Leben um das ihres Geliebten gehandelt, sie hat nie ihren Geliebten vor ihrer
Schwester gewählt, sie hat nie die Dunkelheit kennengelernt, wie wir es haben.
Würde sie uns dafür verurteilen, daß wir etwas Licht in unserem Leben schaffen
wollen?
Komm jetzt. Küsse meine Tränen weg und erzähl mit etwas
lustiges um mich zum Lachen zu bringen. Hilf mir, mich selbst nicht mehr so
ernst zu nehmen. Lerne mir, Cartoons anzuschauen, das Bett den ganzen Tag
ungemacht zu lassen. Laß' uns für ein Weilchen wie normale Leute sein, die ins
Kino und zum Abendessen gehen und Hand in Hand spazieren.
Laß' mich deine Ängste wegküssen. Ich kann die Himbeeren,
die du hattest, schmecken, dein Mund schmeckt wie der Sommer. Wir können uns
Abwechseln. Ich werde für eine Weile die Starke sein, und dann tauschen wir,
okay? Laß' mich dich halten, wenn du einen Alptraum hast, und dir sagen, das
alles gut werden wird.
Wir können dieses Spiel eine Weile spielen.
Mulder, ich bin wund, aber ich will dich noch einmal. Ich
brauche dich in mir, jetzt, mich ausfüllend, unsere Haut sich berührend, uns
beide vereint. Das ist es, es tut weh, aber Gott, du fühlst dich so gut an, sei
härter, oh, kannst du dir überhaupt vorstellen, wie sehr ich dich liebe?
Ich liebe deinen Duft, die Art, wie deine Augen sich verdrehen,
kurz vor dem Orgasmus, wie die Muskeln in deinem Rücken sich verhärten. Die
Art, wie du mit nimmst, als ob ich eine starke Frau bin, nicht eine zarte
Blume. Ich bin zäh, und du weißt genau wie zäh, daß ich in deiner Umarmung
nicht zerbrechen werde. Du bewegst dich mit diesen tiefen Stößen in mir, bis
ich das Gefühl habe, daß Bett öffnet sich, ich öffne mich, werde tiefer,
verflüssige mich in unergründliche Tiefen animalischen Begehrens. Ich liebe es,
daß es dir nichts ausmacht laut zu werden, zu ächzen, zu stöhnen, mich
anzufeuern, mir zu sagen was du möchtest. Die Art wie du sagst, "Oh, ja,
ich mag' das, zieh deine Knie an, Scully, Gott, du bist so eng und feucht, ich
werde kommen, wenn du das tust." Und der Ausdruck in deinen Augen, wenn ich
dir antworte, wenn ich dir genau sage, wie ich es will.
Partner, im wahrsten Sinne des Wortes. Auf ein gemeinsames
Ziel hinarbeitend, ob es die Wahrheit ist, oder der perfekte Orgasmus. Ich
hoffe, daß wir irgendwann beides finden werden. Nach allem, bin ich noch immer
mehr oder weniger optimistisch.
Der Morgen kommt gefährlich näher. Ich kann das Summen der
Uhr beinahe hören, wenn ich mich anstrenge. Wir haben dieses gefürchtete
Meeting am Morgen und wir werden uns in unsere besten Kopien eines
professionellen Mulder und einer professionellen Scully verwandeln müssen um es
durchzustehen.
Was wird morgen sein? Wohin gehen wir?
Fragen, immer Fragen. Dies eine Mal werde ich die Frage
vergessen und mir erlauben, dich einfach zu lieben. Ich hoffe, du kannst das
auch.
Ich beuge mich zu dir hinunter und schaue dich an. Deine
Augen sind geschlossen, als ob du dösen würdest, aber das kleinste Lächeln
umspielt deine Lippen. Etwas in mir dehnt sich aus und ich erkenne, daß das der
Platz in meiner Seele ist, der dir gehört.
Der Raum wird langsam dunkler und wir liegen beieinander,
zufrieden im Moment zu existieren, gemeinsam zu atmen.
Der Morgen kommt schnell genug. Ich habe den Wecker auf
06:00 früh gestellt.
ENDE